Die Alte

„Wenn der Herr mir nimmt, was gerade noch geblieben ist, weiß ich nicht mehr weiter. Wenn der Herr mir nimmt, was gerade noch geblieben ist, weiß ich nicht mehr weiter, wenn der Herr mir nimmt, was gerade noch geblieben ist, weiß ich nicht mehr weiter… nicht mehr weiter, nicht mehr weiter…“, flüstert sie die Worte, wiederholt und wiederholt, in der Hoffnung sie ins Universum zu kratzen. Als Nachricht an den lieben Gott. In dem tiefen und festen Glauben, das wenn sie es wiederholt, wird Er sie in Seiner unendlichen Güte auch irgendwann erhören. Also sitzt sie, auf die Knie gesunken in ihrer Bank, umklammert mit ihren Händen die Vorderbank und betet mit geschlossenen Augen, die immer gleichen Worte. „Wenn der Herr mir nimmt was gerade noch geblieben ist…. “ und so weiter und so weiter. Weiterlesen

Ertrinkende

Meine Eltern waren wie Ertrinkende. Sie klammerten sich aneinander, um nicht von der hohen See verschluckt zu werden. Wenn die See gemächlich war, trieben sie im Wasser wie tote Fische mit dem Bauch in der Sonne. Meistens war die See hoch und in ihrer Umklammerung konnte man nicht erkennen, ob sie sich helfen oder ertränken wollten. Sie konnten einander nicht einen Zentimeter von der Seite weichen lassen, sie rauften sich, schlangen die Arme umeinander und drücken sich zusammen als würden sie dadurch weniger ertrinken. Aber bei hohem Wellengang ertranken sie dann doch, aneinander geklammert, immer und immer wieder.
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